Vexierspiele auf fremdem Territorium
Neuer Indianerroman von Antje Babendererde
von Dionys Zink
(veröffentlicht 4/2003)
Ein aufmerksamer europäischer Besucher der Lakota-Reservate im USBundesstaat South Dakota ist in der Regel schockiert von den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen die Nachfahren der Traumgestalten so mancher Kindheit leben müssen.
Etwas anderes ist es, wenn im Rahmen der Möglichkeiten wohlinformierte Indianerunterstützer sich auf den Weg in die Pine Ridge Indian Reservation machen, weil sie zumindest eine Vorstellung von den Lebensbedingungen haben.
Dennoch sollte man sich nichts vormachen: Indianische Reservate stellen eine eigene soziale Wirklichkeit dar, in die man zwar eintauchen kann und muss, will man sich in Projekten vor Ort engagieren, die zu verstehen aber bei kurzen Aufenthalten von wenigen Wochen oder Monaten nicht gelingen kann.
Antje Babendererdes neuer Roman „Wundes Land“ handelt von einem solchen Versuch, einem indianischen Notstandsgebiet Hilfe zu bringen. Er handelt auch davon, dass diese Hilfe zwar hochwillkommen ist, sich aber in das Bedingungsgefüge einpassen muss. Diese Notwendigkeit stellt höchste Anforderungen an die interkulturelle Kompetenz der beteiligten Europäer. Für ihre Arbeit an diesem Roman konnte Babendererde auf eigene Erfahrungen, aber auch die Hilfe von Christina Voormann, der tatkräftigen Initiatorin des Lakota Village Fund e.V. zurückgreifen, deren Hausbauprojekt im Pine Ridge Reservat Gegenstand ausführlicher Berichterstattung im Coyote gewesen ist.
Eigene Erfahrungen des Rezensenten, sei es mit dem (gescheiterten) Versuch einen Jugendaustausch mit Lakota zu organisieren oder die Erfahrungen AGIMs mit einem Büffelzuchtprojekt bestätigen die Darstellung im Roman. (Mehr zum Büffelprojekt in Pine Ridge im nächsten Coyote) Für ein Indianerbuch, einen Roman zumal, ist das schon ein erheblicher Vorzug: Was in diesem Roman steht, ist wahr, weil sich das komplexe Gefüge von Verwandtschaftsverhältnissen, ethnischen Beziehungen und politischen Intrigen dem interessierten Unterstützer tatsächlich wie ein Vexierbild darstellt.
Wo sich Lakota in gewohnten gedanklichen Bahnen bewegen, sind die zahlreichen Ebenen indianischen Denkens doch ein sehr fremdes Territorium. Für langjährige Coyote-Leser und Unterstützer ist „Wundes Land“ auch aus anderer Sicht ein Gewinn, denn die Autorin hat zwar alle beteiligten Figuren erfunden, doch kommen sie einem merkwürdig vertraut vor, wenn man mit den Lakota- Akteuren der vergangenen zwei Jahrzehnte Bekanntschaft geschlossen hat.
Nein, über die Handlung des Romans wollen wir an dieser Stelle kein Wort zuviel verlieren, lesen müssen Interessierte schon selbst. Soviel sei immerhin verraten: Auf dem Hintergrund eines Unterstützungsprojekts ergibt sich eine verwickelte Kriminalund Beziehungsgeschichte in der Uranabbau, Tourismusprojekte und Stammesintrigen eine Rolle spielen.
„Wundes Land“ von Antje Babendererde ist als gebundenes Buch im Merlin-Verlag erschienen, umfasst 312 Seiten und kostet 19,50 €. (ISBN 3-87536-238-1) Ebenfalls erschien in diesem Jahr ein Jugendroman derselben Autorin unter dem Titel „Der Gesang der Orcas“ im Arena- Verlag.