Australiens bekannteste Naturschönheit wird endlich die vielen Kletterer los. Die Frist zur Offenhaltung der touristischen Nutzung endet jetzt.
Uluru ist der Name für den einzigartigen Berg Australiens, in der Sprache Pitjantjatjara der dort lebenden Anangu (das Wort ist ein Name, ohne eigene Bedeutung, daher auch ohne Übersetzung). Die Anangu leben dort seit mindestens 30.000 Jahren, nur die Weißen nannten ihn bis vor einiger Zeit „Ayers Rock“, allerdings hat sich inzwischen der indigene Name durchgesetzt. Der Name Ayers Rocks hat übrigens nichts mit einem „Entdecker“ zu tun, die Europäer, die ihn erst 1873 sahen, benannten ihn einfach nach dem damaligen Premierminister.
Während die Wissenschaft kühl von einem Inselberg spricht (Monolith ist kein eindeutiger Begriff), war und ist (!) er den Anangu heilig. Wer über den Stuart Highway von der Touristen-Hotelburg Alice Springs hinfährt, und sich einen offenen Geist bewahrt hat, dem muss niemand erklären, dass so ein Berg einfach heilig sein muss (zumal für ein Volk von Fußgängern). Aus der vollkommen platten, und überall eisenroten Erde der zentralaustralischen Wüste ragt er steil und hell leuchtend auf. Unübersehbar über riesige Entfernungen. Wer sich die Zeit nimmt, und ihn mehrfach umrundet, wird feststellen, dass er je nach Sonnenstand die Farbe wechselt.
Uluru ist unterirdisch mit den nahegelegenen kleineren Bergen, den Kata Tjutas verbunden. Diese sind nicht ganz so majestätisch, aber aus dem gleichen Material und leuchten daher ebenso. Und man darf auch hinauf… Wer die Rangerstation und das Cultural Center der Anangu im Nationalpark aufsuchte, dem wurde, falls man nicht schon selbst drauf kam, erklärt, dass die Anangu eine Besteigung von Uluru ablehnen. Bislang konnten sie es jedoch nicht verhindern. Und das ändert sich jetzt endlich.
1976 verabschiedete die damalige australische Regierung unter Kerr den Aboriginal Land Rights (Northern Territory) Act. Von 1873 bis ca. 1936 hatte der Berg Ruhe, das Gelände liegt zum Teil in einem 1920 geschaffenen Reservat. 1948 kam eine Straße hinzu, und 1958 wurde der „Ayers Rock – Mount Olga National Park“ erschaffen (Olgas ist der weiße Name für die Kata Tjutas), und erste Touristen kamen. Deren Strom schwoll immer mehr an, zum Ärger der Anangu. Sofort nach Inkrafttreten des Aboriginal Land Rights Act reichten die Anangu einen Land Claim ein und kämpften vor Gericht um ihren heiligen Berg. Acht Jahre dauerte es, bis sie formell Eigentümer ihres eigenen Berges wurden. Dafür mussten sie den Berg für 99 Jahre an Parks and Wildlife Services verpachten.
Am 1. November 2017 wurde dann offiziell die Deadline verkündet, mit dem 34. Jahrestag der Rückgabe des Bergs am 26. Oktober wird das Besteigen verboten. Obwohl das nun schon zwei Jahre bekannt ist, führte es doch zu bizarren Trotzreaktionen, häufig aus eher konservativ-rechter Ecke. Australier, die Zeit ihres Lebens noch nie in der Nähe waren, verkündeten im Internet jetzt, unbedingt eine Besteigung durchführen zu wollen. Ganz abgesehen davon, dass man damit auf den spirituellen Empfindungen der Anangu buchstäblich herumtrampelt, ist es auch ziemlich gefährlich. Der Berg war nämlich überfüllt, und er hat sein eigenes Mikroklima.
Im Cultural Center erzählen die Anangu Geschichten von Touristen, die, nachdem sie aufgeklärt wurden, doch den Berg bestiegen, und Jahre später würden noch Päckchen aus aller Welt eintreffen, mit Steinen vom Berg und Texten wie „Wir wussten ja, dass es nicht erlaubt ist. Aber wir haben es dennoch getan, und jetzt wollen wir unser Gewissen erleichtern.“ Auch von „Zeichen“ ist manchmal die Rede. Zur Realität gehört auch, dass kein Jahr ohne Unglücke, Hubschrauber-Rettungseinsätze verging, und immer wieder Todesfälle zu beklagen waren, was die Anangu schmerzt.
Die Kultur der Anangu basiert auf Tjukurpa. Es ist unmöglich, das in einigen Sätzen zu beschreiben. Vereinfacht gesagt basieren die Tjukurpa-Geschichten auf dem Anbeginn der Zeit, als die Vorfahren („ancestral beings“), die Tjukaritja, die Welt erschufen. Und aus der Welt schufen sie die Religion. Diese Geschichten sind ausgesprochen komplex, und sind eine Art Mischung aus traditioneller Überlieferung, wie man in der Wüste überlebt und Landkarten. Tjukurpa ist eine rein mündliche Tradition ohne Schrift. Dieser Anbeginn ist die Traumzeit (Dreamtime), in der alle Ahnen in einer einzigen Person existieren, aber das Wort mögen die Anangu nicht besonders - weil es nahelegt, diese Zeit und der Glaube wären irreal.
Tjurkurpa ist jedoch kein Traum. In der Sprache der Anangu gibt es auch gar kein Wort für Dreamtime, das Wort wurde von weißen Anthropologen geprägt und hat sich in unserer modernen Welt auch noch verselbständigt. Das Land der Anangu wird durch die Ereignisse in Tjukurpa beschrieben, und ist daher angefüllt mit Bedeutungen und Sinn. Schöpfer zogen durch das anfangs formlose Land und schufen erst das, was man heute sehen kann, einschließlich der heiligen Stätten.
Man kann nur hoffen, dass sich in Zukunft mehr Menschen als bisher auf die Spiritualität der Anangu und des Ortes einlassen, Respekt zeigen und nicht jeden Zaun überklettern, mit dem schon in den Neunzigerjahren die besonders heiligen Stätten am Uluru gekennzeichnet waren, was schon damals Uneinsichtige nicht abhielt. Es wäre den Anangu zu wünschen. Von unten darf man Uluru übrigens nach wie vor bestaunen…
Ka nyangatja mulapa wali nganampa – Anangu maru tjutaku, Anangu uwankaraku (Dieses Gebäude repräsentiert die Anangu wahrlich, es ist für alle da, um es zu besuchen). | https://parksaustralia.gov.au/uluru/do/cultural-centre/ |
Tjukurpa panya tjamulu, kamilu, mamalu, ngunytjulu nganananya, kurunpangka munu katangka kanyintjaku (Dieses Gesetz gaben uns unsere Großväter und Großmütter, Väter und Mütter, um es in unseren Köpfen und Herzen zu bewahren). | https://parksaustralia.gov.au/uluru/pub/fs-tjukurpa.pdf |
Oliver Kluge, der den Berg natürlich nicht bestieg. Er war auch von unten ergreifend schön…