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„For the use of his Britannick majesty“

Cook-Ausstellung Eine Ausstellung über James Cook und seine Entdeckung der Südseelink

von Dionys Zink
(veröffentlicht 3/2010)

In den Projektionen der europäischen Gesellschaften kommt wohl kaum eine Weltregion der Vorstellung vom Paradies so nahe, wie die Inselgruppen des südlichen Pazifik. Ohne mit den labilen Gleichgewichtszuständen der pazifischen Ureinwohner vertraut zu sein, musste dieser Teil der Welt vor allem den Seefahrern des 18. Jahrhunderts nach monatelangen Entbehrungen auf See wie Land, in dem Milch und Honig fließen erscheinen.

Die letzten weißen Flecken im Weltbild der Europäer erkundete James Cook im Auftrag der britischen Krone auf drei mehrjährigen Reisen in die Südsee. Sie erbrachten unter anderem, dass es entgegen der Theorien der zeitgenössischen Geographen keinen Südkontinent gibt, der den großen Landmasse der Nordhalbkugel ein Gegengewicht sein könnte. Die Suche nach der Nordwestpassage als kürzere und sicherere Verbindung zwischen Europa, dem westlichen Nordamerika und Fernost blieb ohne eigentlichen Erfolg, weil Cook an den klimatischen Gegebenheiten der Arktis und den technischen Möglichkeiten seiner Zeit scheitern musste.

Dennoch wurde Cook gefeiert wie kein anderer Entdecker seiner Zeit. Seine Fahrten „zum nützlichen Gebrauche seiner britannischen Majestät“ erregten nicht nur in Großbritannien Aufsehen, sondern vor allem auch in Deutschland. Dies liegt unter anderem daran, dass Cooks mittelbarer Auftraggeber König Georg aus dem Haus Hannover stammte, ein Umstand, der britischen Aktivitäten in Norddeutschland große Aufmerksamkeit sicherte. Populär wurden die britischen Expeditionen in Europa auch deshalb, weil daran neben Briten auch Gelehrte aus anderen Ländern beteiligt waren. Das prominenteste Beispiel dürften hier Reinhold Forster und sein Sohn Georg sein, die Cook auf seiner zweiten Reise begleiteten. Ihre Aufgabe bestand in der wissenschaftlichen Dokumentation der Fahrt, auf der sich Cook in die antarktischen Gewässer wagte. Vor allem das Multitalent Georg Forster lieferte zahlreiche farbige Zeichnungen und ausführliche Berichte zu dieser Reise (Siehe die kleine Literaturauswahl unten).

Mit Cook und seinen Entdeckungsreisen befasst sich eine hervorragend konzipierte Ausstellung, die nach Stationen in Bonn und Wien, mittlerweile in Bern erwartet wird.

Diese Präsentation versammelt zahlreiche Exponate, die während der drei Reisen von den Offzieren und Wissenschaftlern gesammelt wurden. Interessant ist, dass ein großer Teil dieser Gegenstände auf verschlungenem Weg in den deutschsprachigen Raum und seine Museen gelangten. Nachdem ihr Neuigkeitswert verflogen war, fristeten die ethnographischen „Souvenirs“ vermutlich ihr wohlverwahrtes, verstaubtes und dunkles Dasein in den Magazinen der Forschungseinrichtungen. Sie versammelt und wieder ans Licht gebracht zu haben ist schon allein deshalb ein besonderes Verdienst, weil sie über die Informationen zu den Ureinwohnern des Pazifiks hinaus, auch noch beredtes Zeugnis von den Umständen ihrer Beschaffung bzw. ihrer zeitgenössischen Beachtung ablegen.

Ergänzt werden die indigenen Artefakte mit zahlreichen Kartendarstellungen, welche die Dimensionen der Cook-Expeditionen verdeutlichen und vielen Bildern der Künstler und Wissenschaftler, die Cook auf den Reisen begleiteten. Darunter finden sich nicht nur einige farbenprächtigen Bilder Georg Forsters, sondern auch die Ölbilder John Webbers, der ursprünglich aus Bern stammte. Daraus ergibt sich ein besonderer Bezug zu Bern, der letzten Station der Ausstellung. Sie wird im dortigen Historischen Museum vom 7. Oktober 2010 bis 13. Februar 2011 zu sehen sein.

Weniger bekannt als die Südsee-Entdeckungen Cooks sind seine Begegnungen mit nordamerikanischen Indianern. Cooks erstes außereuropäisches Kommando führte ihn 1758 in das heutige Quebec an den St. Lawrence River, wo er in Kontakt mit den Irokesen geriet. Später traf er bei seiner Kartierung der Küste Neufundlands auf die Micmac, die auch sein ethnographisches Interesse weckten, denn dort begann seine Sammeltätigkeit von Gegenständen der besuchten Ureinwohnervölker.

In länger dauernde Beziehungen zu den Indianern Nordamerikas trat Cook allerdings erst auf seiner letzten Reise. Von Hawaii kommend versuchte er befehlsgemäß die Nordwestpassage zu entdecken, musste aber im März 1778 im von ihm benannten Nootka Sound an der Westküste von Vancouver Island Station machen, um seine Voräte zu ergänzen und seine Schiffe zu reparieren. Auf Vancouver Island stieß er dabei auf die Nuu-Chah-Nulth, die lange Zeit in der Fachliteratur als Nootka-Indianer bezeichnet wurden. Cook war wohl nicht bewusst, dass er es mit einer hochdifferenzierten Überflussgesellschaft zu tun hatte, die man am ehesten mit einer Adelsgesellschaft vergleichen könnte, die keineswegs bereit war, die kolonialistischen Grundannahmen der europäischen Besucher von der freien Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen zu teilen. In seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog konstatiert Christian Feest, dass „die Nootka eine Bezahlung für das von ihren Gästen gemähte Gras verlangten.“ Auch bei anderen Aspekten des Tauschhandels zeigten sich die Küstenbewohner als zähe und gewiefte Geschäftsleute. Die Briten erhielten unter anderem „Schnitzereien und Gegenstände des täglichen Gebrauchs, von denen viele bereits beschädigt oder als Beutegut aus Kriegszügen von minderem Gebrauchswert waren (…).“ Die Indianer waren vor allem an Metallgegenständen interessiert, die sie zu Werkzeugen verarbeiteten.

Im weiteren Verlauf der Reise nach Norden gelangte Cook bis in die Regionen der Athapasken und Inuit, aber auch auf die Aleuten, wobei hier die Sammlung materieller Zeugnisse deutlich spärlicher ausfiel, da es sich um vergleichsweise weniger differenzierte Jägergesellschaften handelte, deren Alltags- und Zeremonialgegenstände das Interesse der Europäer nicht im gleichen Umfang zu wecken vermochten.

Cook musste wegen der Jahreszeit und der arktischen Bedingungen, denen seine Schiffe nicht gewachsen waren, umkehren und wandte sich schließlich nach Hawaii zurück, wo er in einem Streit, dessen mehrschichtige Hintergründe wohl nie ganz geklärt werden können, von Ureinwohnern getötet wurde. Zumindest einige Tatsachen scheinen jedoch gewiss: Aus europäischer Sicht entzündete sich der Konflikt an einem der Beiboote, das die Hawaiianer entwendet hatten. Die Auseinandersetzung eskalierte, als Cook wie bei früheren Gelegenheiten hochrangige Ureinwohner als Geiseln nahm, um die Herausgabe des gestohlenen Boots zu erzwingen. Von den möglichen Hintergründen dieser entgleisten Aktion handelt ein weiterer Beitrag des Ausstellungsbuches.

Trotz aller friedlichen Absichten, Rücksichtnahme und Bemühungen um Verständnis, die man Cook unterstellen kann, erweist sich der „Fall Cook“, dann doch als ein Ausgangspunkt der Entwicklung, mit der dann Eroberung, Unterwerfung und Ausrottung der Ureinwohner des pazifischen Raumes legitimiert wurden. Was die Kolonisatoren einmal als ihr rechtmäßiges Eigentum erkannten, wurde mit aller Gewalt oder zumindest mit unverhältnismäßigen Mitteln beansprucht und verteidigt. Solange die Entdeckten bereitwillig kooperierten, alles teilten, von den Kokosnüssen bis zu den Frauen, war alles in Ordnung, als die Entdeckten jedoch Ansprüchen stellten, musste es zum Konflikt kommen. Auf diese Hintergründe verweisen auch die Beiträge, die versuchen die jeweilige Perspektive der Ureinwohner zu erhellen. Beispielsweise wurde Cook von den Maori in Neuseeland mit großer Ehrerbietung empfangen, weil er einen Priester aus Ra’iatea (Tahiti) an Bord hatte, der die gemeinsame Zeremonialsprache der Maori und ihrer entfernten Verwandten in Tahiti beherrschte. Die Maori sollen diesen Priester als den eigentlichen Chef der Expedition betrachtet haben.

Kleine Auswahlbibliographie zum Themalink


Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH u.a. (Hrsg. ): James Cook und die Entdeckung der Südsee
München 2009, 276 S. (Hirmer-Verlag)
Der Katalog bildet nahezu den gesamten Exponatbestand der Ausstellungen in Bonn, Wien und Bern ab und ergänzt die Ausstellungstexte mit 26 wissenschaftlichen Aufsätzen zu zahlreichen geographischen und völkerkundlichen Aspekten der Cook-Reisen.

Enzensberger, Ulrich: Georg Forster – ein Leben in Scherben
Frankfurt 1996, 339 S. (Eichborn-Verlag)
Eine Materialcollage, die Georg Forsters wechselvolles Leben in Auszügen aus Werken, Briefen und Zeugnissen seiner Zeitgenossen darstellt.

Forster Georg: Reise um die Welt, illustriert von eigener Hand. Großformatige Ausgabe, Sonderband der Anderen Bibliothek.
Frankfurt 2007, 645 S. (Eichborn-Verlag)

Forster, Georg: James Cook, der Entdecker
Frankfurt 2008, 173 S. (Eichborn-Verlag)
Georg Forsters Porträt zu James Cook, das er an den Publizisten Johann Georg Lichtenberg in Göttingen sandte. Illustriert mit erst kürzlich in Sidney, Australien, entdeckten Bildern Forsters.

Hartmann, Lukas: Bis ans Ende der Meere
Zürich 2009, 491 S. (Diogenes-Verlag)

Historischer Roman über Cooks letzte Reise, erzählt aus der Perspektive des Expeditionsmalers John Webber.
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