Liebe Unterstützer*Innen,

wir wünschen nochmals allen ein gutes neues Jahr und hoffen für 2024 auf positive Entwicklungen zu mehr Frieden, mehr Menschlichkeit und einem energischen Einsatz gegen Ausgrenzung, Rassismus und Hass. Wir sind nicht naiv und glauben an das Unmögliche, aber an das Machbare, das auch unseren Einsatz für die Rechte indigener Völker leitet.

In den letzten Wochen hat sich viel ereignet, über das wir nachfolgend berichten.

Leonard Peltier — Jahr der Entscheidung?link

Am 06.02.2024 jährt sich die Verhaftung des indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier bereits zum 48. Mal. Seine Verurteilung wegen angeblichen Mordes an zwei FBI-Beamten ist ein bleibender Schandfleck auf der jüngsten Geschichte der USA. Nicht weniger skandalös sind die Haftbedingungen, unter denen Peltier im Gefängnis in Florida zu leiden hat – zumal der mittlerweile 70-Jährige schwere Gesundheitsprobleme hat.

Seit Jahrzehnten bemühen sich Indigene und Menschenrechtsaktivit*Innen in aller Welt um seine Freilassung. 2024 könnte die letzte Chance bieten, damit er seinen 80. Geburtstag am 12.09.2024 im Kreis der Familie verbringen kann statt in einem Hochsicherheitsgefängnis. Seine Anwälte bemühen sich gegenwärtig um einen Antrag auf Bewährung — alle bisherigen wurden abgelehnt. Doch es bleibt noch die Hoffnung auf eine Begnadigung durch US-Präsident Joe Biden, bevor er möglicherweise das Weiße Haus für seinen Nachfolger räumen muss.

Wir bitten daher, sich an der Petitionlink-external der Native Organizers Alliance zu beteiligen, um Peltiers Freilassung zu fordern.

Valentine’s March im Gedenken an die ermordeten und verschwundenen indigenen Frauen (MMIW)link

Seit 1992 organisieren die Indigenen in Vancouver, British Columbia, am Valentinstag (14. Februar) einen Gedenkmarsch für die ermordeten und verschwundenen indigenen Frauen in Kanada. Die Stadt Vancouver ist nicht zufällig gewählt, denn das Stadtviertel Downtown Eastside ist einer der Hotspots der Gewalt an indigenen Frauen. Viele der Opfer des Serienmörders William Pickton, der sich “rühmte”, 50 Frauen ermordet zu haben, stammten aus dieser Gegend.

Der Fall Pickton ist symptomatisch für den Umgang von Polizei und Justiz mit der Katastrophe der MMIW. Die Situation wurde jahrelang ignoriert und das Versagen der Behörden — Pickton wurde nach einer ersten Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt, um weiter zu morden, Beweismittel verschwanden — führte zur Einrichtung einer Untersuchungskommission. Doch offensichtlich hat sich an der grundsätzlichen Ignoranz und Willkür nichts geändert, obwohl das Thema längst die Öffentlichkeit erreicht hat – bis hin zu den verschiedenen UN-Gremien.

Pickton wurde 2007 für den Mord an sechs Frauen verurteilt, obwohl Überreste von 29 Frauen auf seiner Farm gefunden wurden. Für die betroffenen Familien war die Gleichgültigkeit des Gerichts gegenüber den übrigen 23 Opfern kaum zu ertragen, denn damit wurden ihre Töchter, Mütter, Schwestern, Tanten etc. wieder dem Vergessen, der Unsichtbarkeit preisgegeben. Viele der Fälle sind bis heute nicht aufgeklärt.

Im Dezember 2023 kündigte die RCMP an, 14.000 Beweisstücke aus dem Verfahren gegen Pickton vernichten zu wollen. Für die Betroffenen kommt dies erneut einer “Auslöschung” ihrer Liebsten gleich.

Eine Petition auf Change.orglink-external will dies verhindern.

Präsident Biden setzt LNG-Exporte auslink

Am 26. Januar 2024 verkündete das Weiße Haus, dass alle Genehmigungen für neue Exporte von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) bis auf weiteres ausgesetzt würden. Der Hype um LNG tobt nicht nur in Nordamerika, sondern auch bei uns, denn die Regierung setzt auf den Import von LNG, um sich von der Energieversorgung mit Öl und Kohle verabschieden zu können. Dabei ist LNG keineswegs umweltfreundlich. Das — vielfach auf indigenem Land — gewonnene Gas wird durch Fracking gefördert. Mit hohem Energieaufwand wird das Gas durch Kühlung und Komprimierung verflüssigt. Zudem handelt es sich um das klimaschädliche Methangas. LNG bedeutet keinen Ausstieg aus der Fossilenergie, sondern verdrängt nur eine wirkliche Energiewende.

Die USA waren mit einer Fördermenge von rund 945 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2020 der größte Gas-Produzent weltweit, 77 Mrd. davon gingen in den Export. 2023 wollte die deutsche Bundesregierung 13,5 Mrd. Kubikmeter importieren — das meiste davon aus den USA.

Die positive Meldung aus Washington wird durch zwei Umstände getrübt: Zum einen gilt der Exportstopp nur für neue, nicht jedoch bestehende Verträge, und zum anderen steht Kanada bereits in den Startlöchern. Der weltweit fünftgrößte Produzent (2020: 184 Mrd. Kubikmeter) rüstet sich, den bisherigen Export von 47 Mrd. (2020) erheblich zu steigern. Auch hier stammt das Frackinggas von indigenem Land, u.a. in British Columbia.

Indigene Land-Defenders verurteiltlink

Die Wet’suwet’en wehren sich seit Jahren gegen die Coastal GasLink in British Columbia. Die Gaspipeline soll Frackinggas vom Landesinneren bis nach Kitimat an der Pazifikküste für den Export transportieren. Der Widerstand der Indigenen sorgte immer wieder für Schlagzeilen, da die Bundespolizei RCMP und die Sondereinheit C-IRG (Community-Industry Response Group) mit brutaler Härte gegen den indigenen Widerstand vorgehen und auch nicht davor zurückschrecken, Journalist*Innen zu verhaften, u.a. Amber Bracken, welche 2022 für ihr Bild zum Thema der ermordeten und verschwundenen indigenen Frauen in Kanada mit dem “World Press Photo of the Year” ausgezeichnet wurde.

Die Wet’suwet’en und ihre Verbündeten wehren sich mit Blockaden und Widerstandscamps gegen die Zerstörung ihres Land und die eklatante Missachtung ihrer indigenen Rechte. Sprecherin Sleydo Molly Wickham (Gidimt’en) und ihre Mitstreiter*Innen Corey Jocko (Haudenosaunee) und Shaylynn Sampson (Gitxsan) wurden am 13. Januar 2024 vom B.C. Supreme Court wegen Verstoßes gegen eine gerichtliche Anordnung verurteilt. Das Urteil geht auf einen Vorfall im November 2021 zurück, als sich die drei Angeklagten den Bauarbeiten der Pipeline in den Weg stellten, welche die Pipeline unter dem Morice River (Wedzin Kwa) hindurchführen wollten. Sie wurden verhaftet und angeklagt. Ein Strafmaß wurde noch nicht verkündetet, doch die Verteidigung geht in Berufung.

Petition gegen Royal Bank of Canada (RBC)link

Seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens 2016 hat die RBC $250 Mrd. in die Finanzierung fossiler Energieprojekte investiert — von Teersandgewinnung bis zur Finanzierung der Coastal GasLink. Die Erbchiefs der Wet’suwet’en, deren Autorität über das traditionelle Territorium vom Obersten Gerichtshof Kanadas anerkannt wurde, haben sich seit Anbeginn des Projekts gegen die Pipeline auf ihrem Territorium ausgesprochen, aber ihr klarer und konsequenter Widerstand gegen dieses Projekt wurde ignoriert. Ohne die Finanzierung durch die RBC wäre die CoastalGasLink nicht realisierbar.

Die Umweltorganisation Stand.Earth hat eine Online-Petitionlink-external ins Leben gerufen, welche die Banken zur Aufgabe ihrer Finanzierung von fossilen Projekten auffordert.

Erfolg gegen die Pebble-Mine in Alaskalink


Im Januar 2023 hatte die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) ihre Befugnisse gemäß dem “Clean Water Act” genutzt, um die Pebble-Mine in Alaska zu stoppen, welche die Gold- und Kupfervorräte in der sensiblen Region ausbeuten will. Dies war ein bahnbrechender Sieg nach einem über zwanzigjährigen Kampf zum Schutz der Bristol Bay und damit des Lebensraums der letzten großen Wildlachsbestände der Welt, aber auch von Bären, Vögeln etc. Der Staat Alaska reagierte darauf mit einer Klage gegen die EPA (Alaska v. United States), um die Entscheidung rückgängig zu machen.

Am 08.01.2024 entschied jedoch der Oberste Gerichtshof der USA, den Fall nicht zu verhandeln, und wies die Klage damit ab. Für Indigene und Umweltschützer*innen ist die erneute Entscheidung gegen die Gold- und Kupfermine zwar ein großer Erfolg, doch vermutlich noch nicht das Ende im Kampf gegen die Ausbeutung der Ressourcen und die Zerstörung des Landes, denn die Regierung von Alaska könnte versuchen, den Fall in einer niedrigeren Instanz weiter gerichtlich zu verfolgen. Alaska republikanischer Gouverneur Mike Dunleavy hatte die Entscheidung der EPA als Verstoß gegen die Rechtshoheit des Bundesstaates kritisiert und die Entscheidung vom Januar 2023 angefochten. Mit der jetzigen Entscheidung will er sich nicht zufriedengeben.

Uranabbau am Grand Canyonlink

Der jahrzehntelange Widerstand, u.a. der Havasupai, gegen den Uranabbau im Südwesten der USA schien jüngst Erfolge zu zeigen - nicht zuletzt durch die Einrichtung des neuen Nationalmonuments „Baaj Nwaavjo I’tah Kukveni — Ancestral Footprints of the Grand Canyon“ durch Präsident Biden im August 2023. Doch der Schutz des 3.781 Quadratkilometer großen Gebiets untersagt nur die Genehmigung neuer Uranminen.

Die Pinyon Plain Mine (ehemals Canyon Mine) ist jedoch von dem Verbot nicht betroffen, das sie bereits vor vier Jahrzehnten noch unter dem alten Bergbaugesetz von 1872 genehmigt wurde. Der letzte Versuch, die Mine noch zu verhindern, scheiterte im Februar 2022 vor Gericht. Im Dezember 2023 verkündete der Betreiber Energy Fuels Resources in einer Pressemitteilung, man werde nun aufgrund des gestiegenen Marktpreises mit dem Uranabbau beginnen.

80 Umweltgruppen, u.a. Sierra Club und das Center for Biological Diversity, haben daraufhin den Appell der Indigenen an die Gouverneurin Katie Hobbs unterstützt, die Mine doch noch zu stoppen.

Das nukleare Erbe des früheren Uranabbaus verseucht die Region bis heute und bedroht die Wasserversorgung der Indigenen. Der Grand Canyon Trust hat eine Petitionlink-external ins Leben gerufen.

Indigener Hype am Filmmarktlink

Die Verleihung des “Golden Globe” Anfang Januar 2024 an Lily Gladstone für ihre Rolle der Molly Burkhardt im Scorsese-Film “Killers of the Flower Moon” war der bisherige Höhepunkt im Hype um den Film, der auf einer realen Geschichte basiert — den Serienmorden an Mitgliedern der Osage Nation Anfang des 20. Jahrhunderts, nachdem diese durch Ölfunde auf ihrem Land zu Reichtum gelangten. Im Gegensatz zu dem lesenswerten Buch von David Grann steht die Figur der Molly zwar nicht im Mittelpunkt des Films (die Hauptrollen werden Hollywood-typisch von Leonardo DiCaprio und Robert de Niro verkörpert), aber Lily Gladstone zählt zu den aufsteigenden Sternen am Filmhimmel. Nachdem Gladstone als erste Indigene mit dem “Golden Globe” ausgezeichnet wurde, rechnet die Filmbranche gar mit einem Oscar für die 1986 geborene Blackfeet.

Doch nicht nur Gladstone steht im Rampenlicht. Die Meldungen zu Indigenen in der Filmbranche überschlagen sich geradezu. Dieses Jahr soll eine Filmversion des “Star Wars”-Klassikers (1977) in der Sprache der Ojibwe veröffentlicht werden — bereits 2014 gab es eine Version in der Dineh-Fassung.

Die Marvel Studios — bekannt für ihre Superhelden-Blockbusters — präsentieren die Action-Serie “Echo” auf den Streaming-Diensten Hulu und Disney. Im Zentrum steht die Figur der Maya, einer Choctaw, die taub ist und eine Beinprothese trägt — so wie die Schauspielerin Alaqua Cox selbst. Eine behinderte Indigene als “Super Hero” ist tatsächlich Neuland, das die Direktorin Sydney Freeland („Drunktown’s Finest“) beschreitet. Mit von der Partie sind u.a. Tantoo Cardinal, Graham Greene und Zahn McClarnon. Auch mit Vincent D’Onofrio stand Cox (Menominee) schon vor der Kamera in der Marvel-Produktion “Hawkeye”.

Der erfolgreiche Maori-Regisseur Taika Waiti (“Jojo Rabbit”) produzierte für Netflix zudem die Coming-of-Age-Geschichte “Frybread Face and Me”, in der ein Dineh das vertraute San Diego verlassen muss, um den Sommer bei der Verwandtschaft auf der Reservation zu verbringen. Regisseur Billy Luther (Navajo/Hopi/Laguna Pueblo) legte dabei besonderen Wert auf eine indigene Besetzung, u.a. Keir Tallman, MorningStar Angeline und Jeremiah Bitsui.

Mit der Superheldin Kahori präsent Marvel zudem eine Mohawk-Protagonistin in der Animationsserie “What if?”. Die Figur der Kahori wurde in Zusammenarbeit mit den Haudenosaunee erarbeitet und stößt auf breite Begeisterung bei den Indigenen.

Nicht zu vergessen: “Reservation Dogs”, die gefeierte und mehrfach ausgezeichnete Serie über vier Jugendliche in einem fiktiven Reservat (gedreht auf dem Reservat der Muscogee Nation), deren 3. Folge 2023 abgeschlossen wurde, war ein echter Durchbruch, der weit über “Indian Country” Erfolge feierte.

Die Indigenen scheinen — nach all dem “Red Facing”— in den Startlöchern zu stehen, um die Filmbranche zu erobern, auch wenn die meisten Produktionen auf Streamingdienste beschränkt bleiben. Insofern war wohl die Großproduktion von „Killers of the Flower Moon“ mit der Besetzung der Hauptrollen durch Leonardo DiCaprio und Robert de Niro noch immer ein Zugeständnis an den Mainstream. Aber die Zeiten ändern sich auch in Hollywood — spätestens, wenn Lily Gladstone als erste Indigene im März 2024 die begehrte Oscar-Trophäe erhalten sollte.

Skandal um Buffy Sainte-Marielink

Jahrzehntelang galt die Musikerin als eine indigene Ikone — auch für uns. Doch seit den Enthüllungen des Investigativformats “The Fifth Estate” des kanadischen Senders CBC vom Oktober 2023 überschlagen sich die Diskussionen um die “Pretendians” — Menschen, die sich als Indigene ausgeben, aber keine indigenen Wurzeln haben. Dies gilt nun — wie gründlich recherchiert — nicht nur für Buffy Sainte-Marie, welche die Öffentlichkeit jahrzehntelang über ihre Herkunft täuschte, sondern für viele prominente Figuren im Musik- und Showbusiness, aber auch und gerade in akademischen Kontexten. Der erste auch bei uns bekannt gewordene Fall war der erfolgreiche Autor Joseph Boyden, der sich als Metis präsentierte. Doch inzwischen wächst die Liste der Enthüllungen und das Thema hat sogar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia.

Überwog anfangs innerhalb der “Indian Community” zunächst die spontane Solidarisierung mit Buffy Sainte-Marie, werden nun immer mehr Stimmen laut, welche diese Identitätsaneignung als offenen Betrug bezeichnen und juristische Konsequenzen fordern. Das Thema wird uns noch länger begleiten, denn die Implikationen sind äußerst komplex.

The Fifth Estatelink-external“.

Abschied von Klee Benally (1975 — 2023)link

Zum Schluss eine traurige Meldung: Im Dezember 2023 verstarb völlig überraschend Klee Benally (Dineh) im Alter von nur 48 Jahren. Gemeinsam mit seinen Geschwistern Jeneda und Clayson gründete er die Rockband Blackfire, die Punk und Rock mit den Traditionen der Dineh verknüpfte. Gemeinsam veröffentlichten sie sechs Alben, die zahlreiche Auszeichnungen erhielten, u.a. den “Native American Music Award”. Stets verkündeten sie mit ihren Songs eine politische Botschaft — gegen Kolonialismus und Umweltzerstörung. Später war Klee auch als Solo-Musiker auf den Bühnen der Welt unterwegs — auch in Europa.

Neben der Musik galt seine Leidenschaft den indigenen Traditionen und Rechten. So engagierte er sich gegen das Skigebiet Arizona Snowball und vor allem gegen Uranabbau. Auch als Künstler brachte er seine Talente ein, u.a. designte er das aktuelle Logo des “International Uran Film Festival” 2024. Kurz vor seinem Tod erschien noch sein Buch “No Spiritual Surrender: Indigenous Anarchy in Defense oft he Sacred”.

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In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrecht indigener Völker.

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