von Dionys Zink
(veröffentlicht 3/2003)
Zehn Jahre nach der Entdeckung der ersten Diamantenvorkommen in den Northwest Territories im Gebiet der Dogrib-Dene ist die Erschließung der begehrtesten Form des Kohlenstoffs in vollem Gang. Kanada ist dabei zu den Großen im Diamantengeschäft aufzusteigen. Man beabsichtigt den derzeitigen Weltmarktanteil von 6% der Rohdiamantenförderung auf deutlich über 10% zu steigern.
Diamanten können nur in den Schlotfüllungen von Vulkanen bestimmter mineralischer Zusammensetzung entstehen, denn nur dort herrschen geeignete Temperaturen und Drücke, die zur Bildung von kristallinem Kohlenstoff führen. Deswegen suchen Geologen vor allem nach dem Muttergestein Kimberlit, um Diamantenlagerstätten ausfindig zu machen.
Lange Zeit waren offenkundig auch die Geologen des marktbeherrschenden Diamantenkonzern De Beers davon ausgegangen, dass der kanadische Schild keine Kimberlitvorkommen birgt. Erst die hartnäckigen Forschungen eines Einzelgängers wie aus der Frühzeit der Edelsteinsuche erbrachten den Nachweis: Auch in den Northwest Territories finden sich Vulkane, die aber von den Gletschern der Eiszeit abgetragen und unter Schuttmassen begraben wurden, so dass sie der Aufmerksamkeit der allgegenwärtigen De-Beers-Geologen entgingen. Die geologischen Untersuchungen ergaben, dass sich im Gebiet der Tliho-Dene (Dogrib) wenigstens vier diamanthaltige Fundstätten befinden.
Im Juli wurde die zweite Diamantenmine Kanadas eröffnet, die ebenfalls wie die Ekati Mine im Gebiet der Dogrib Dene liegt. Die Diavik Mine ist ein Tochterunternehmen des Bergbaumultis Rio Tinto Zinc. Seit 1995 wurden die Möglichkeiten einer Erschließung der Fundstätten am Lac de Gras geprüft, die etwa 220 Kilometer südlich des Polarkreises und etwa 300 Kilometer nordöstlich der Territorialhauptstadt Yellowknife liegen. Erst 2001 wurde mit der baulichen Vorbereitung der Förderung begonnen. Ein Hauptproblem für den Betrieb besteht darin, dass das abbauwürdige Kimberlitvorkommen unter einem See liegt. Um an diese Lagerstätte heranzukommen, musste ein Teil des Lac de Gras auf dessen Ostsseite durch Deiche abgetrennt und dann leergepumpt werden. Zudem war zu bedenken, dass die Mine im Bereich des Permafrosts liegt. Eine Verarbeitung bzw. Aufbereitung des geförderten Kimberlits ist nur innerhalb geheizter Gebäude und im Winter mit ebenfalls nur durch Erwärmung verfügbarem Wasser möglich. Dies stellt besondere Anforderungen an die Konstruktion der Gebäude, die mit ihrer Wärmeabstrahlung bei unzureichender Abschirmung den Dauerfrostboden auftauen könnten.
Es gab Befürchtungen, dass mit den Eingriffen in den Wasserhaushalt des Sees und der gesamten Umgebung Probleme bei der Wasserversorgung der Dene und Inuit stromabwärts auftreten könnten. Einwände und Bedenken gab es auch innerhalb der Dene- Gemeinden. Eine wesentliche Nahrungsgrundlage der Dene bildet bis heute zum Beispiel die Karibu-Jagd. Es wurde befürchtet, dass allein die Bautätigkeiten, der damit verbundene Verkehr und der dauerhafte Aufenthalt von Menschen im Bereich der Minen zu Veränderungen im Wanderungsverhalten der Bathurst-Karibu-herde führen könnte. Die Ufer des Lac de Gras bildeten bisher einen Sommerruheplatz an der Wanderungsroute der Wildherde. Die Auswirkungen des Tagebaus könnten darin bestehen, dass die Tiere das Gebiet der Dogrib weiträumig umgehen, eine Karibu-Jagd der Dene damit unmöglich würde.
Den Dogrib ging in der Frühphase die gesamte Erschließung dann auch zu schnell. John Zoe, der Dene-Chefunterhändler in Landrechtsfragen kritisierte 1999 Diavik Diamond, die Betreibergesellschaft: „Die Diamanten laufen nicht weg. Wir haben dieses Land seit urdenklichen Zeiten genutzt und die Bathurst-Karibus durchwandern es noch länger. Wie können die Forderungen Diaviks nach einer sofortigen umweltrechtlichen Genehmigung des Vorhabens ein größeres Gewicht haben als unsere Geschichte und unsere Bedürfnisse?“
Protest und Kritik gab es auch von anderen indianischen Völkern in der Region. So erhoben auch die Yellowknife- Dene Abspruch auf Teile des Gebiets, in dem sich weitere Diamantlagerstätten befinden können. Mit dem neuen Vertrag zwischen Kanada und den Dogrib-Dene, dürfte diese Auseinandersetzung zwischen Indianern um Landrechte vorläufig beendet sein.
Die Mine soll für die Dauer von zwanzig Jahren etwa 600 Arbeitskräften, darunter mehr als zweihundert Dene-Indianern, Beschäftigung bieten. Sie wird vor allem aus der Luft versorgt werden müssen, weswegen eine 1.600 Meter lange Landebahn für Transportmaschinen der Typen Boeing 737 und Hercules angelegt werden musste.
Der Diamantenbergbau gilt als vergleichsweise „sauberes“ Geschäft. Anders als in der Erdölförderung, im Uranabbau oder in der Braunkohlegewinnung, ist die Umweltverschmutzung auf die Verarbeitungsanlagen und die Versorgung des Minenbetriebs beschränkt. Bei den extremen klimatischen Verhältnissen in den NWT wurde beispielsweise allein für die neue Diavik-Mine am Lac de Gras ein Heiz- und Transportenergiebedarf von jährlich 44.000 t Dieselkraftstoff berechnet. Angesichts des Werts nur dieser Mine von geschätzten 1,3 Milliarden Can$ wird Diavik diese Ausgaben wohl verschmerzen können.
Die Indianer waren Anfang der 90er Jahre zunächst recht zurückhaltend mit der Erteilung von Genehmigungen für Probebohrungen und Schürfrechte in ihrem traditionellen Jagdgebiet. Sie hatten in der Vergangenheit bereits schlechte Erfahrungen mit Bergbauunternehmen gemacht. In der Umgebung von Yellowknife warten noch immer Abraumhalden des Uranbergbaus auf ihre Entsorgung, undichte Absetzbecken mit Schwermetallen, Arsen und Zyaniden der Giant Mine (Royal Oak) sind eine risikoreiche Hinterlassenschaft des ersten Bergbaubooms in den Northwest Territories. In den Verhandlungen mit Broken Hill Proprietors (BHP), einer australischen Diamantenfördergesellschaft, bestanden sie darauf, dass das Unternehmen die Dene nicht nur für die Schürfrechte bezahlen müsse, sondern für qualifizierte Beschäftigung, einschließlich der Ausbildung von Dene für Tätigkeiten in der Diamantenexploration und –förderung, sorgen müsse. Mit qualifizierten Arbeitskräften und eigenen Unternehmen wollten die Dene dann mit anderen Diamanten-Unternehmen ins Geschäft kommen. Darüber hinaus gelang es den Dene den Australiern ihre Vorstellungen von Umwelt- und Wildschutz zu vermitteln und diese auch durchzusetzen.
In der Zwischenzeit scheint die wirtschaftliche Strategie der Dogrib-Dene aufzugehen. Anfang 2002 schlossen sie einen Vorvertrag (Memorandum of Understanding) mit der De Beers Canada Mining Inc. bezüglich einer weiteren Mine am Snap Lake. Auch hier ist die Perspektive, neben direkten Einnahmen für Schürfrechte auch qualifizierte Arbeitsplätze für Dene-Indianer zu beschaffen, ein wichtiger Bestandteil der Verhandlungen.