von Robert Stark
(veröffentlicht 1/2006)
Die Dissertation von Briese verspricht am Beispiel der Lakota Aufklärung über die Rolle von kommerziellen „Lebenshilfeangeboten“, die unter den Oberbegriff „Esoterik“ subsumiert werden. Sie werden überwiegend mit exotischen Etiketten versehen, welche die Attraktivität der Angebote für eine naive, leichtgläubige Klientel erhöhen sollen. Dass es sich dabei um billigen Etikettenschwindel handelt, der in verfremdeter Form hausgemachte Klischees und Erwartungshaltungen für teures Geld bedient, ist eine bekannte Tatsache; ebenso, dass besonders gerne nordamerikanische Indianerkulturen für die Etikettierung herhalten müssen.
Das Thema wurde nicht zuletzt im Coyote in den letzten 15 Jahren immer wieder breit getreten (vgl. zuletzt die Aufklärungskampagne mit dem Mescalero-Apachen Al Caroll im Juli letzten Jahres mit drei Vorträgen im Raum München). Wenig verständlich ist deshalb die Behauptung des Autors: „Spiritualität und die Folgen ihrer Vermarktung für das Volk, welche sich wesentlich über Spiritualität definiert, ist unzweifelhaft ein neues Thema, …“.
Soweit Briese die Phänomene Vermarktung und Verzerrung der Lakota-Kultur durch Medizinmänner dubioser Herkunft und Legitimation beschreibt, kommt er im wesentlichen zu richtigen Ergebnissen. Allerdings hat die Arbeit Brieses Kennern der Thematik nichts Neues zu bieten. Die Diskussion der Phänomene bleibt an vielen Stellen oberflächlich, als Ergebnis der Untersuchung wird zu Frage der Ursachen für Vermarktung und Verzerrung der Lakota eine gewisse Ratlosigkeit zugestanden. („Ich kann hier keine befriedigende Antwort geben, da ich keine habe“).
So sehr Zurückhaltung und Vorsichtigkeit bei der Formulierung von Theorien eine wissenschaftliche Tugend sind, hätte man sich hier mehr konkrete Ergebnisse einer konsequenten Analyse gewünscht. Schließlich sind diese ja offen für Falsifizierung und Korrekturen. Davon lebt Wissenschaft und es kann alleine ein Verdienst sein, den Erkenntnisprozess auch mit unvollkommenen, aber die Diskussion provozierenderen Äusserungen zu beleben. Belebend wirkt die Arbeit aber nicht, eher in vielerlei Hinsicht etwas unentschieden. Das zeigt sich schon im Äußeren. Die Arbeit ist in einem Verlag erschienen, der selbst offenbar keine kritische Distanz zum Phänonem „Esoterik“ zu haben scheint. Viele der im Nachspann beworbenen Publikationen lassen eindeutig erkennen, dass es sich weniger um Quellenmaterial für kritische Geister als vielmehr um Lesestoff handelt, der die Sehnsüchte diverser Esoteriker bedient.
Die Werbetexte zu den Publikationen sprechen diesbezüglich eine klare Sprache!. Ebensowenig ist sich Briese über alle Facetten der Persönlichkeit von ihm zitierter Gewährsleute im Klaren, z.B. Roman Schweidlenka. Diesen zitiert er um den Missbrauch der Klischees von indianischen Weltbildern als Vehikel für verkappte, faschistische Ideologien anzuprangern. Andererseits hat Schweidlenka an vielen Stellen abstruse, wissenschaftlich indiskutable Vergleiche indianischer Weltanschauungen und Kulturerscheinungen mit anderen exotischen und archäologischen Kulturen vorgelegt, die selbst ganz in die Nähe von esoterischem und neoheidnischen Gedankengut rücken.
Auch das Literaturverzeichnis ist eher dürftig. Im Textteil werden im hauptsächlich drei Bücher ausführlicher analysiert (Paul Uccusic, Der Schamane in uns; Thomas Jeier, Manitou für Manager; R.B. Hassrick, Das Buch der Sioux), ferner wird ein Erfahrungsbericht eines Vortrags von Uschi Stehmann vorgestellt. Paul Uccusic ist jedoch nur ein Vertreter einer ganzen Gattung gleichartiger Literatur, die vollkommen nach dem gleichen Strickmuster erstellt ist. Hier wären weitere Vergleiche mit anderen Machwerken und eine Analyse vor dem Hintergrund der „literatirschen“ Gattung wünschenswert gewesen.
Das Buch von Jeier wäre vor dem Hintergrund der Gesamtheit billiger Manager-Literatur zu betrachten gewesen (sie bedient sich gleichermaßen bei Klischees über fremden Kulturen), die mit seriösem Business-Coaching nicht das geringste zu tun hat. Dass Hassricks Buch ein seltsames Konstrukt mit extrem rassistischem Einschlag ist, war ernsthaften Anthropologen von jeher bekannt. Die Sammlung einschlägiger Seminarbeschreibungen und Artikel aus der Esoterikszene im Anhang lassen sich in jeder deutschen Großstadt innerhalb kürzester Zeit umfangreicher zusammentragen. Im Text wird auf die Mehrzahl dieser „Beilagen“ nicht oder kaum Bezug genommen.
Den „methodischen Ansatz“ zu diskutieren spare ich mir. Erwähnt sei nur, dass Briese die Lakota in vielen Umfangreichen Zitaten zu Wort kommen lässt. Die Lektüre dieser Zitate soll den Unfug, wie er durch esoterische Praktiken und Literatur verbreitet wird, bloßstellen. Das ist durchaus so sinnvoll. Dennoch wäre hier mitunter mehr Kürze und Prägnanz zugunsten einer soliden Analyse des Phänomens Esoterik und seiner Entwicklung in den letzten Jahrzehnten wünschenswert gewesen. Vielleicht hätte dann so manche Facette dieser Bewegung schärfer herausgearbeitet werden können, als man geläufig wahrnimmt.
Abschließend möchte ich allen an einer kritischen Auseinadersetzung mit diesem Thema ein Buch empfehlen, das in seinem zweiten Teil eine hervorragende und prägnante Zusammenfassung zu diesem Phänomen am Beispiel neo-hinduistischer Sekten bringt. Wer zur Transferleistung befähigt ist, findet dort alles wesentliche in klaren Worten auf den Punkt gebracht (auch was pseudo-indianische Medizinmänner betrifft): Ralph Marc Steinmann: Guru-shishya-sambandha: das Meister-Schüler-Verhältnis im traditionellen und modernen Hinduismus [Guru-iya-sambandha: the master-disciple relationship in traditional and modern Hindusism]. Beiträge zur Südasienforschung 109, 1986. XI, Franz Steiner Verlag, Wiesbaden.
Marco Briese: Die Opferung der Lakota. Soziale und politische Folgen der Indianerrezeption des New Age. Mediengruppe König 2005 (Greiz). 19,80 €