Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

in Zeiten des Corona-Lockdowns hätte man hoffen können, dass mal ein wenig Zeit für eine Verschnaufpause bliebe, doch das Gegenteil ist der Fall. Inzwischen jagt wieder eine Meldung die andere, eine Videokonferenz nach der anderen erfordert Vorbereitung, Aufmerksamkeit und Aktion. Und dann gibt es noch die aktuellen Entwicklungen – die Proteste gegen Rassismus in den USA und die Entwicklung der Corona-Pandemie.

Proteste gegen Rassismus in den USAlink


Die Ermordung von George Floyd durch den Polizisten Derek Chauvin am 25. Mai 2020 in Minneapolis, Minnesota, sorgt weltweit für Schlagzeilen – und Entrüstung. Dabei ist der Tod des 46-jährigen African-American kein Einzelfall, sondern nur ein weiteres Beispiel in einer langen Reihe an rassistischen Übergriffen in einer Gesellschaft, die sich nie wirklich ihrer Geschichte und ihrer Verantwortung gestellt hat. Die durch diese rassistische Tat ausgelösten Proteste können nicht überraschen angesichts der Spaltungen, die durch US-Präsident Trump weiter befeuert werden, und der Ungleichheiten in der US-Gesellschaft, die durch die verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich denn je zutage treten.

Manche Demonstranten (wie auch offizielle Vertreter) verweisen mitunter auf die „tolerante Atmosphäre“ in Minneapolis – und doch war es die exzessive Polizeigewalt in Minneapolis, die 1968 zur Gründung des American Indian Movement führte. Damals kam es regelmäßig zu gewalttätigen und rassistischen Übergriffen von Seiten der Polizei gegen Indigene. Mag sein, dass Minneapolis sich heute toleranter gibt, doch der Rassismus ist weiterhin virulent.

Daher haben sich viele Indigene sofort mit der „Black Community“ solidarisch erklärt. So verurteilte die „Metropolitan Urban Indian Directors‘ Group“ – ein Zusammenschluss von mehr als 30 indigenen Organisationen aus den Zwillingsstädten Minneapolis/St.Paul – aufs schärfste den „anhaltenden systemischen Rassismus“, der zum Mord an George Floyd geführt hat. Die irreführende Ausrede von „ein paar faulen Äpfeln“ unter den Polizisten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der „Geist innerhalb des Minneapolis Police Departments die rassistischen Einstellungen befördert und rechtfertigt“, so die Indigenen, denn das „MPD hat eine lange Tradition der Gewalt an Indigenen und Schwarzen“.

Die beiden indigenen Frauen im US-Repräsentantenhaus, Deb Haaland und Sharice Davids, veröffentlichten umgehend eine gemeinsamen Pressemitteilung, in der sie erklärten: „Der Schmerz, den unser Land empfindet, geht zurück auf einen institutionalisierten Rassismus, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Wir verstehen die Wut und die Reaktionen auf das Versagen der Institutionen und insbesondere des Polizei- und Justizsystems. … Inmitten einer Pandemie, welche die Schwarzen mit besonderer Härte getroffen hat, können wir angesichts des Unrechts und der Diskriminierung nicht mehr schweigen. … Es ist inspirierend, dass so viele Mensch sich zusammenfinden, um füreinander einzustehen und Gerechtigkeit zu fordern.“ Deb Haaland brachte am 1. Juni gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Lee (Kalifornien) einen Gesetzesentwurf zur Schaffung einer „Truth, Racial Healing, and Transformation Commission“ zur Untersuchung der Auswirkungen von Sklaverei und Rassismus ein.

Auch das Indigenous Environmental Network (IEN) erklärte sich solidarisch und rief zur Unterstützung der Proteste, insbesondere der Kampagne „Movement for Black Lives“ auf, die vom 1.-7. Juni 2020 zu einer Aktionswoche aufgerufen hat ( www.m4bl.orglink-external). Die Webseite bietet konkrete Vorschläge und widmet jedem Tag einen besonderen Fokus – Protestformen, Finanzierung von kommunalen Projekten statt Polizeiaufrüstung, etc. Für IEN ist der Kampf der Schwarzen auch der Kampf der Indigenen:

„Wir knien mit Black Lives, wir weinen mit Black Lives und wir kämpfen für Black Lives. Wir unterstützen aus ganzem Herzen die Befreiung der Schwarzen. … Wir erklären uns bereit, uns gemeinsam mit unseren schwarzen Schwestern und Brüdern für die Überwindung eines kapitalistischen, patriarchalen und kolonialistischen Systems zu engagieren, das auch indigene Völker seit Anbeginn der Kolonisierung bekämpft hat. Amerika ist aufgebaut auf dem Völkermord an den indigenen Völkern und der Versklavung der Afrikaner, auf einem System an Rassismus und Sexismus und der Anhäufung von Reichtum und Macht einiger weniger in einer ungerechten Gesellschaft.“

Es ist kein Zufall, dass US-Präsident Trump ein Porträt des „Indianer-Schächters“ Andrew Jackson im Oval Office hängen hat. Trotz der jüngsten Diskussion stehen noch immer im ganzen Land Statuen von Rassisten – der Protest gegen dies Denkmäler des Rassismus führten zum Tod einer Demonstrantin 2017 in Charlottesville. Und nicht alle dieser Denkmäler und Statuen stammen aus der Vergangenheit: Ausgerechnet in Selma, Alabama, dem Schauplatz der legendären Protestmärsche der Bürgerrechtsbewegung unter Leitung von Martin Luther King 1965, wurde im Jahr 2000 eine Büste des ersten „Grand Wizard“ des Ku-Klux-Klans, Nathan Bedford Forrest, auf öffentlichem Grund aufgestellt.

Wir möchten alle auffordern, sich an den Aktionen zu beteiligen, die vor allem virtuell über die sozialen Netzwerke konzipiert sind (in München findet am Samstag, 07.06. um 14:00 Uhr eine Demo statt, an der auch wir unter den üblichen Abstandsvorgaben teilnehmen werden).

Über Trumps Äußerungen und Reaktionen muss hier nicht viel angemerkt werden, denn sie sind leider nur zu vertraut, doch werfen wir einen Blick zum nördlichen Nachbarn Kanada.

Allein im April wurden drei Indigene unter zweifelhaften Umständen in Winnipeg von Polizisten erschossen – die 16-jährige Eishia Hudson (08.04.2020), der 36-jährige Jason Collin (09.04.2020) und der 22-jährige Stewart Kevin Andrews (18.04.2020). Ihr Tod wurde in Kanada kaum beachtet.

Als Kanadas Premierminister Justin Trudeau bei einer Pressekonferenz aufgefordert wurde, Trumps Reaktion auf die Ermordung Floyds und die nachfolgenden Proteste zu kommentieren, brauchte Trudeau 21 quälend lange Sekunden, in denen er mehrfach den Mund öffnete, dann wieder stockte, um erst nach langem Abwägen zu erklären, er sei tief bestürzt angesichts der Situation. ABER: Kleinmütig vermied es Trudeau, den Scharfmacher Trump zu kritisieren. Vielmehr wand er sich heraus – wohlwissend, dass Kanada auf die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA angewiesen ist – dass es seine Aufgabe sei, das Wohl der Kanadier zu fördern.

Ontarios Premier Doug Ford – ein Scharfmacher, wenn es um Ressourcen auf indigenem Land geht – reagierte beherzter und leugnete rundheraus, dass es Rassismus in Kanada gibt. Ford, dessen Familienunternehmen vor allem in den USA tätig ist, erklärte dreist, wenn es um Rassismus gehe, seien Kanada und die USA wie „Tag und Nacht“.

Einen Bezug zum Rassismus gegen die Indigenen in Kanada wollten weder Trudeau noch Ford herstellen, denn das Image des Landes ist ihnen wichtiger als die Realität – einer Untersuchung des MacLean’s Magazine zufolge (2015) ist der Rassismus gegen Indigene in Kanada noch größer als der Rassismus gegen Schwarze in den USA.

Covid-19 und Indian Countrylink

Im letzten Newsletter haben wir bereits über die verheerenden Auswirkungen der Pandemie in den Reservaten berichtet. Mittlerweile müssen die USA über 1,8 Millionen Infizierte und über 100.000 Todesopfer verzeichnen. Besonders betroffen sind unter den Indigenen nach wie vor die Dineh. Nach aktuellen Angaben des Navajo Health Departments sind zum Stand 03.06.2020 inzwischen 5.533 Dineh mit COVID-19 infiziert und 262 Dineh starben an den Folgen der Pandemie.

Die Situation in den Reservaten ist weiterhin besonders schwierig, denn es fehlt an allem, an medizinischer Ausrüstung genauso wie an Trinkwasser, Schutzmöglichkeiten und Geld. Inzwischen gibt es verschiedene Spendenplattformen für die Indigenen – eine davon betreibt Stefan Yazzie Herbert. Stefan hat eine Kreativagentur in Wien und ist mütterlicherseits selbst Dineh-Abstammung. Über die Spendenplattform Gofundme hat er bereits mehr als 8.500 Euro gesammelt, um die Dineh zu unterstützen. Statt vieler kleiner Spendensammlungen wäre es eine gute Möglichkeit, die Dineh angesichts der besonderen Herausforderungen konzentriert zu unterstützen: https://www.gofundme.com/f/navajo-nation-relieflink-external

Wer mehr über die Hintergründe erfahren möchte, sei auf Stefans Interview durch die Kronenzeitung verwiesen: https://www.krone.at/2162027link-external

Die Indigenen brauchen unsere Solidarität und Unterstützung.

Herzliche Grüße
Monika Seiller

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
Frohschammerstraße 14
D-80807 München

+49-89-35651836 +49-173-9265932

post am/um/auf aktionsgruppe.de

www.aktionsgruppe.delink-external
Facebooklink-external
Indianer-Netzwerklink-external

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.

Bankverbindung: IBAN DE28 7015 0000 0017 2234 70 / BIC: SSKMDEMM / Stadtsparkasse München

Schon gewusst? Wir versenden jeden Monat einen Email-Newsletter mit aktuellen Terminen und Informationen. Interessiert? Einfach eine Email mit dem Betreff “Newsletter bestellen” an post am/um/auf aktionsgruppe.de schicken.