Ein Photoband von Eric Klemm
von Monika Seiller
(veröffentlicht 1/2010)
Thomas King (Cherokee), der alte Schelm unter den indianischen Autoren, hat es mal wieder auf den Punkt gebracht: Karl May ist an allem schuld. Selbst an diesem Bildband, wie auch der 1939 in Deutschland geborene Photograph Eric Klemm nicht verleugnen kann. Doch Karl May wäre von den Photos der Indianer wohl genauso wenig begeistert gewesen wie Edward S. Curtis, denn den edlen Wilden, den stoischen Helden der Prärie sucht man hier vergebens – versammelt sind stattdessen Helden des Überlebens. Die Indianer des 21. Jahrhunderts widerlegen beide, denn weder sind sie verschwunden, wie Curtis prognostizierte, noch wandeln sie als christianisierte Einfaltspinsel (Karl May) durch die Weiten der Jagdgründe. Dort würden sie wohl ziemlich verloren wirken – vermutlich noch verlorener als auf den Photos.
Photobände über Indianer sind schwierig, räumt Thomas King in seinem Vorwort ein, denn meist folgen sie dem Beispiel von Curtis, der Indianer nicht so ablichtete, wie sie waren, sondern so, wie er sie haben wollte: Edel, nackt, auf dem Rücken von Pferden, Pfeil und Bogen, Büffel jagend und eingehüllt in Decken und Felle. Niemand will Photos sehen von Indianern, wie sie im Pick-up durch die Gegend fahren oder Vorstandsitzungen leiten. Klemms Photos hingegen, so King, zeigen den Menschen hinter den Federn und Masken. „Dies sind nicht Karl Mays Indianer.“
Thomas King kennt sich gut aus mit der romantischen Vorstellung der Europäer, die das Bild von den Indianern teilweise oder zumindest unbewusst noch prägt. Diese Projektionen verweigert uns Eric Klemm – selbst wo sie die ganze Palette an Gesichtsbemalung oder an Federschmuck angelegt haben. Sie wirken gebrochen hinter einer Maske, die nicht mehr allein die ihre ist, sondern längst von de Geschichte eingeholt wurde. Manche scheinen sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen, da sie sich in ihrem Leben längst daran gewöhnt haben, „unsichtbar“ zu sein und sich nun unter dem aufmerksamen Auge der Kamera am falschen Platz fühlen. Sie alle sind zu still, als dass sie jemand wahrnimmt. Nun müssen sie einem Betrachter standhalten, der sie wieder sichtbar machen will.
149 der stillen Krieger hat Klemm aus einer Serie von 312 Porträts ausgewählt, die er auf einer Odyssee von mehr als drei Jahren quer durch Kanada und die USA aufgenommen hatte. Erfolgreiche Anwälte oder Politiker sind allerdings nicht darunter, denn die Gesichter der Photographierten sollen uns eine Geschichte erzählen – ihre Geschichte und zugleich die Geschichte ihrer Völker. Indianische Filmstars repräsentieren nun mal nicht die Mehrheit der Indigenen. Aber Klemm vermeidet auch die klebrige Mitleidsgeschichte der tragisch Gescheiterten, die nur wieder das Curtis-Klischee von der vanishing race bestätigen würden. Voyeurismus ist den Photographien fremd, echtes Interesse dagegen präsent. Sie werden nicht ausgestellt, sie zeigen sich uns – als Menschen.
Eric Klemm, Silent Warriors. Portraits of North American Indians, Steidl Verlag 2009, 256 Seiten, 45 Euro