Liebe Unterstützer*innen,

soeben ist die neue Ausgabe unseres Magazins Coyote erschienen. Die Ausgabe Nr. 130 widmet sich ausführlich der Begegnung mit der Filmemacherin Alanis Obomsawin (Abenaki), die in Berlin mit einer eigenen Ausstellung geehrt wurde, ihren Film “Trick or Treaty” in Zürich im Rahmen der Ausstellung „Indigene Kunst und koloniale Verträge“ präsentierte und uns für ein Interview zur Verfügung stand. Neben Buchrezensionen, Ausstellungsbesprechungen und aktueller Berichterstattung zur Situation indigener Völker berichten wir vom Papstbesuch in Kanada und den Entwicklungen seit den Gräberfunden an den kanadischen Residential Schools vor einem Jahr.

Terminelink

Der Herbst bringt zahlreiche Veranstaltungen, auf die wir Euch aufmerksam machen bzw. zu denen wir Euch einladen möchten.

  • Ausstellung: „Die Uhr tickt – Abwendbare Katastrophen“
  • “Leave it in the Ground”: Vortrag von Anna Rondon
  • Aktionen rund um den Geburtstag von Leonard Peltier
  • Konzert von Mitch Walking Elk

Newslink

  • Späte Anerkennung für Sacheen Littlefeather
  • Erste Indigene am kanadischen Supreme Court
  • Winnetou-Diskussion

Ausstellung und Vortrag: “Die Uhr tickt — Abwendbare Katastrophen”link

01.09.-29.09.2022, EineWeltHaus, Kleiner Saal, Schwanthalerstr. 80, München

Klimaerwärmung und Atomkrieg drohen der menschlichen Zivilisation nach übereinstimmender Erkenntnis der Wissenschaft. Beide Katastrophen sind menschengemacht und noch abwendbar. Während im Falle der Erderhitzung das Bewusstsein wächst, dass ein Umsteuern dringend nötig — und noch machbar — ist, wird die Atomkriegsgefahr weitgehend verdrängt. Mit der “Doomsday Clock”, der Weltuntergangsuhr, macht das Nürnberger Friedensmuseum seine Ausstellung „Die Uhr tickt“ auf und stellt die großen Gefahren, die der Menschheit drohen, auf 13 informativen Tafeln dar.

Im Anschluss an die Vernissage am 01.09.2022 (18:30 Uhr) wird Reiner Braun (International Peace Bureau) anlässlich des Antikriegstags einen Vortrag halten, bei dem er über aktuelle Entwicklungen der Friedensbewegung und der Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag berichten wird.

Veranstaltung des Münchner Friedensbündnisses in Zusammenarbeit mit dem EineWeltHaus (Eintritt frei)

“Leave it in the Ground”: Vortrag von Anna Rondon (Dineh)link

Montag, 12.09.2022 um 19:00 Uhr, EineWeltHaus, Kleiner Saal, Schwanthalerstr. 80, München

Das Land der Navajo bzw. Dineh im Südwesten der USA kennen viele aus Western oder Urlaubsreisen, doch den wenigsten ist bekannt, dass hier Jahrzehnte lang Uran abgebaut wurde – für Atombomben oder AKWs (auch bei uns). In der Diskussion um die Atomkraft wird meist der Anfang ausgeblendet, der Uranabbau und seine verheerenden Folgen für die Betroffenen. Tausende Dineh, die in den Uranminen gearbeitet haben, starben an Krebs und anderen Krankheiten. Die verheerenden Auswirkungen des Abbaus zeigen sich bis heute. Noch immer gibt es allein auf dem Land der Navajo Nation rund 500 aufgelassene Uranminen, die das Land radioaktiv verseuchen.

Anlässlich des 30. Jahrestags des “World Uranium Hearing”, das 1992 in Salzburg Indigene aus aller Welt zusammenbrachte, welche von allen Aspekten der nuklearen Kette — vom Abbau über Tests bis zu Endlagerung — betroffen waren bzw. sind, kommt Anna Rondon nach Europa, um vom indigenen Widerstand zu berichten.

Die Dineh (Kinya’aa’aanii Clan) engagiert sich seit Jahrzehnten gegen die “gelbe Schlange” (Uran) und den atomaren Wahnsinn, der seinen Anfang auf dem Land der Indigenen nimmt. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten für das Southwest Indigenous Uranium Forum und der Navajo Nation Green Energy Commission war sie gegen den Uranabbau aktiv, setzte sich für erneuerbare Energien auf dem Reservat ein und ist eine leidenschaftliche Fürsprecherin für die Rechte indigener Völker ein. Heute ist sie im Vorstand von Beyond Nuclear und Projektdirektorin des New Mexico Social Justice and Equity Institute (NMSJEI), welches die Opfer dieses nuklearen Wahnsinns unterstützt und mit Seminaren über die Gefahren aufklärt, aber auch praktische Hilfen leistet, indigene Frauen gegen Gewalt unterstützt und sich für Gerechtigkeit für die indigenen Gemeinden einsetzt. Der Schutz des „heiligen Wassers“ ist Annas besonderes Anliegen – ein Thema, das uns angesichts der Auswirkungen des Klimawandels alle angeht.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache (ggf. mit Übersetzung) statt. Der Eintritt ist frei (um Spenden wird gebeten).

“Freedom for Leonard Peltier”: Geburtstagsgrüße, Mahnwachen, Lesereiselink

Am 12. September 2022 wird der politische Gefangene Leonard Peltier (Chippewa/Dakota) 78 Jahre alt. Seit Jahrzehnten engagieren sich Menschen weltweit für die Freilassung des AIM-Aktivisten, der seit 46 Jahren im Gefängnis sitzt, obwohl seine Beteiligung am Tod zweier FBI-Beamter 1975 niemals bewiesen werden konnte. Trotz seines Alters und seines schlechten Gesundheitszustands verhallten bislang alle Appelle an US-Präsidenten zu seiner Begnadigung ungehört.

Bitte schreibt anlässlich seines Geburtstags einen Brief an Leonard Peltier (ausreichend frankieren und Absender nicht vergessen) und zeigt ihm, dass er nicht vergessen ist und wir uns weiterhin für seine Freilassung engagieren:

^Leonard Peltier #89637-132
USP Coleman I, U.S. Penitentiary
P.O. Box 1033
Coleman, FL 33521, USA

Vor allem unsere Partner*innenorganisation Tokata e.V./Leonard Peltier Support Group veranstaltet eine Reihe von Mahnwachen und Veranstaltungen im Umfeld von Leonard Peltiers Geburtstag, u.a. mit Mahnwachen in Freiburg (02.09.), Leipzig (12.09.) und Frankfurt (17.09.)

Zudem beginnt Michael Koch am 18.09. seine bereits elfte Lesereise mit “Ein Leben für die Freiheit — Leonard Peltier und der indigene Widerstand”. Am 20.09. wird er dabei mit einem Konzert von Mitch Walking Elk in Offenbach unterstützt.

Alle Termine unter: https://www.leonardpeltier.de/link-external

Songs aus dem indigenen Amerika: Konzert von Mitch Walking Elklink

Sonntag, 09.10.2022 um 19:00 Uhr, EineWeltHaus, Kleiner Saal, Schwanthalerstr. 80, München

Mitch Walking Elk ist nicht nur am 20.09. in Offenbach zu hören, sondern geht nach der Pandemiepause endlich wieder auf Deutschland-Tour (alle Tourdaten auf dem Flyer im Anhang). Der stimmgewaltige Cheyenne/Arapaho ist bekannt und geschätzt für die Intensität seiner Texte und den Facettenreichtum seiner Musik — von Blues und Rock bis zu kraftvollen Balladen.

Der Singer/Songwriter klagt dabei nicht nur den Völkermord an den Ureinwohner*innen an, sondern thematisiert die gegenwärtigen Herausforderungen, z.B. den Widerstand gegen Pipelines auf indianischem Land. 2013 erhielt Mitch den schönsten Preis für sein künstlerisches Schaffen – den Native-American-Music-Award in der Kategorie Blues. Es ist die höchste Ehrung für indianische Künstler*innen in Nordamerika. Bereits zuvor bekam er für das Titellied seiner CD „Time For A Woman“ den Indian-Summer-Music-Award.

Im deutschen Traumfänger-Verlag hat er seine Autobiografie “Ich werde mich nicht ergeben” veröffentlicht. Da heißt es: “Wenn es einen indianischen Singer und Songwriter gibt, der von der Intensität der Texte und der Wandelbarkeit der Lieder an Bob Dylan herankommt, dann ist es Mitch Walking Elk.” Der Interpret ziehe mit seiner einzigartigen Stimme das Publikum in seinen Bann und wie kein anderer hat er die Kompetenz, Lebensumstände und Ungerechtigkeiten anzuprangern, mit denen die amerikanische Urbevölkerung noch heute zu kämpfen hat. Er gehörte zu jenen unzähligen Indianerkindern, die aus ihren Familien gerissen und in ein Internat gesteckt wurden - weit weg von Heimat, eigener Sprache und Kultur. Viele sind an der Gewalt dort zerbrochen und haben zu Alkohol und Drogen gegriffen. Im Gefängnis halfen ihm Traditionen und die Musik, sich aus dem Elend zu befreien. In seinen Liedern rechnet er nun mit einem unmenschlichen System ab.

Eintritt frei (um Spenden wird gebeten).

Späte Anerkennung für Sacheen Littlefeatherlink

1973 sorgte Sacheen Littlefeather (Apache/Yaqui) für Schlagzeilen, als sie bei der Oscar-Verleihung im Auftrag von Marlon Brando erklärte, dass dieser den Oscar, der ihm für seinen Rolle in “Der Pate” verliehen wurde, nicht annehmen könne, da er die Diskriminierung der Indigenen durch Hollywood nicht mittragen könne. Marlon Brando war ein erklärter Unterstützer des American Indian Movement und der Rechte der Indigenen, die ihren Protest damals unter anderem mit der Besetzung von Wounded Knee bekundeten. Die 26-jährige Littlefeather, selbst Schauspielerin und Aktivistin, betrat im Fransenkleid die Bühne und wollte eine Erklärung von Marlon Brando vortragen, wurde jedoch daran gehindert — ihre Redezeit wurde auf 60 Sekunden begrenzt. 85 Millionen Fernsehzuschauer weltweit verfolgten, wie die Überbringerin von Brandos Botschaft vom Großteil der versammelten Hollywood-Prominenz ausgebuht wurde. Unsanft wurde sie von zwei Sicherheitsmännern von der Bühne geführt.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, auch wenn es lange gedauert hat — 2019 wurde Wes Studi (Cherokee) als erster indigener Schauspieler mit einem Ehren-Oscar von der Academy of Motion Pictures geehrt. Fast 50 Jahre nach dem “Rauswurf” von Sacheen Littlefeather entschuldigte sich nun der Präsident der Academy, David Rubin, in einem Brief an die Schauspielerin und Aktivistin für ihre Behandlung während der Oscar-Verleihung und die anschließende Diskriminierung. Medienberichte hatten behauptet, sie sei keine Indigene, sondern nur eine angeheuerte Schauspielerin, oder man unterstellte ihr gar, sie sei lediglich Brandos Geliebte. Nun räumte Rubin ein, dass man bewusst ihre Karriere behindert hatte. Er bedaure das Unrecht und die Diskriminierung, die Littlefeather erdulden musste, so Rubin, und beteuerte, wie wichtig es sei, dass auch die Filmbranche sich dem Respekt und der Bedeutung der Menschenwürde verpflichtet fühle. Sacheen Littlefeather erklärte, dass sie nie mit einer Entschuldigung gerechnet hätte, zumal die Academy sich jüngst vermehrten Rassismusvorwürfen ausgesetzt sah, u.a. hinsichtlich der Diskriminierung von „People of Colour“. Am 17. September soll Littlefeather offiziell im Rahmen einer Veranstaltung geehrt werden, die sich mit der Situation des indigenen Filmschaffens bzw. der Darstellung Indigener durch Hollywood widmet.

Erste Indigene als Richterin am kanadischen Supreme Courtlink

Mitte August verkündete Kanadas Premierminister Justin Trudeau, dass Michelle O’Bonsawin (Abenaki, Odenak First Nation) als erste Indigene für den Obersten Kanadischen Gerichtshof nominiert wurde. Bereits seit 2017 war die erfahrene Richterin am Ontario Supreme Court tätig. Ihre Nominierung sei parteiübergreifend unterstützt worden. Die Indigene wurde 1973 in Ontario geboren, studierte Jura an verschiedenen Universitäten und machte ihren Doktor an der University of Ottawa, an der sie auch Rechtswissenschaften mit Schwerpunkt indigenem Recht unterrichtete. Zudem sitzt sie im Vorstand des Canadian Institute for the Administration of Justice, ist Mitglied der International Association of Women Judges und war als Beraterin für afghanische Richterinnen tätig. Von Vorteil für ihre künftige Aufgabe ist auch ihre französisch-englische Zweisprachigkeit.

Murray Sinclair, ehemaliger Richter, Senator und Vorsitzender der Truth & Reconciliation Commission, bezeichnete die Nominierung O’Bonsawins als eine historische Entscheidung, denn Richterin O’Bonsawin werde eine wichtige indigene Stimme am Obersten Gericht sein, da sie die indigene Lebenserfahrung mit juristischer Exzellenz verbinde. Angesichts der vielfältigen Weise, wie in Kanada das Rechtssystem gezielt gegen die indigenen Rechte angewandt wurde, um die indigene Identität zu zerstören und die Indigenen ihres Landes zu berauben, war eine Benennung einer Indigenen als Obersten Richterin längst überfällig.

“Meine Erfahrungen als Indigene, Mutter und Juristin erlauben mir, ein besonderes Verständnis für das kanadische Rechtssystem mitzubringen, das einerseits die Vielfalt unseres Landes reflektiert, aber auch gleichzeitig die zahlreichen Diskriminierungen offenbart, welche im System noch vorhanden sind. Insbesondere durch meine Arbeit im Bereich der psychischen Gesundheit, glaube ich, dass ich dazu beitragen kann, unser Land zu einer inklusiveren Gesellschaft zu machen, die fair und gerecht für alle ist.”

Am 26. August wurde ihre Nominierung offiziell bestätigt und sie wird ihr neues Richteramt am 1. September 2022 antreten.

Winnetou-Diskussionlink

Nun zieht die Diskussion um einen Jugendfilm, Karl-May-Romane und das I-Wort immer weitere Kreise. Der jüngst angelaufene Film “Der junge Häuptling Winnetou” hat eine Diskussion entfacht, die teilweise absurde Züge trägt, denn nun äußern sich ungefragt unzählige Stimmen, die von Ministerpräsidenten (Söder und Kretschmann), vermeintlichen Expert*innen und Verleger*innen bis zu Rechtsextremen (AfD) reichen. Wahrscheinlich hätte den Film kaum jemand beachtet – eine Jugendfreundschaftsstory, die überall spielen könnte, aber eben versucht, an den bekannten Karl-May-Filmen anzuknüpfen, die heute bei Jugendlichen wohl eher ein gelangweiltes Gähnen hervorrufen dürfte. Doch nachdem der Ravensburger Verlag das Begleitbuch und andere Merchandising-Artikel zum Film wie Sticker und Puzzles zurückzog und sich dabei auf die vermeintliche Diskriminierung durch das Wort „Indianer“ berief, lief die Diskussion ein wenig aus dem Ruder und folgte dem typischen Beispiel hysterischer Aufgeregtheit in den sozialen Medien. Während selbst die linke junge Welt dem Film eine harmlose Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellte, kolportierte die BILD-Zeitung, die ARD würde nun auch die alten Karl-May-Filme aus dem Programm nehmen. ZDF und BR dagegen wollen dem Beispiel nicht folgen und werden weiterhin die TV-Klassiker ausstrahlen.

Aufgeregtheiten, wo man auch hinblickt, und dann folgt unweigerlich die Debatte um das Wort “Indianer”, im derzeitig vergifteten Sprachgebrauch nurmehr als “I-Wort” thematisiert. Eine ausführliche Stellungnahme haben wir im aktuellen Coyote veröffentlicht. Aber bezeichnend für die ganze Debatte ist der Umstand, dass all jene, die sich nun als Richter*innen über politische Korrektheit aufschwingen, weder in Kontakt mit Indigenen stehen noch diese jemals gefragt haben, wie sie die Debatte betrachten und beurteilen — und damit sind nicht einzelne Individuen gefragt, die noch nie in indigenen Gemeinschaften in Kanada oder den USA gelebt haben (um es hier klar zu sagen: die “Native American Association of Germany” ist entgegen ihrer Behauptung auf der Website kein Zentralorgan oder gar Sprachrohr der Indigenen, auch wenn sie in manchen Interviews so dargestellt wird), sondern jene, die tief verwurzelt in ihrer jeweiligen Kultur leben. Wir lassen sie im Coyote zu Wort kommen.

In Solidarität mit dem Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker Nordamerikas

Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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D-80807 München

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Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. (AGIM) ist ein gemeinnütziger Verein (gegr. 1986) zur Unterstützung der Rechte der indigenen Völker Nordamerikas und Herausgeberin des Magazins COYOTE.

AGIM e.V. (Action Group for Indigenous and Human Rights, est. 1986) is a non-profit human rights organization dedicated to supporting the right to self-determination of Indigenous peoples in North America. We publish a quarterly magazine COYOTE.

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