Liebe Freund*innen und Unterstützer*innen,

mit dem letzten Newsletter des Jahres 2021 blicken wir auf ein Jahr voller Herausforderungen, Hoffnungen und auch Ernüchterungen zurück.

Natürlich spielt die Corona-Pandemie dabei eine wichtige Rolle — viele Entwicklungen, Veranstaltungen und persönliche Begegnungen waren dadurch beeinträchtigt. Aber unsere Gedanken gelten vor allem den Opfern der Pandemie, d.h. den Indigenen, welche von COVID-19 besonders betroffen waren, indem die Pandemie die anhaltenden Ungerechtigkeiten der Systeme in den USA und Kanada offenlegten. Mangelnde Gesundheitsversorgung, harsche Lebensbedingungen bis hin zu Wasser- und Versorgungsmangel, isolierte Fly-in-Communities, Diskriminierung und auch die Auswirkungen der Ressourcenausbeutung stellten die Indigenen vor besondere Herausforderungen.

Auch politisch bewegte sich die Entwicklung zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Als Joe Biden im Januar 2021 das US-Präsidentenamt von Donald Trump übernahm, war vor allem Erleichterung das Gefühl der Stunde, aber auch Hoffnung, mit der neuen Regierung würde eine neue Politik einsetzen — für Umweltschutz, gegen den Klimawandel und für die Rechte der Indigenen. Vor allem die Berufung von Deb Haaland als erster indigener Innenministerin (und die Benennung weiterer Indigener in die Regierung) weckte Erwartungen für einen Politikwechsel, doch natürlich liegt in übersteigerten Erwartungen bereits der Kern für Enttäuschungen (bei Obamas „We can do it“ war es nicht viel anders). Einige positive Entwicklungen wurden auf den Weg gebracht (Initiativen gegen Gewalt an indigenen Frauen, teilweise Aufhebung von Trumps Angriff auf heilige Stätten wie Bears Ears, finanzielle Unterstützung für indigene Projekte im Rahmen des „Build Back Better“-Programms).

Aber vor allem das Thema der fossilen Energienutzung war für viele Indigene eine herbe Enttäuschung. So war etwa das Ende der umstrittenen Keystone XL Pipeline keine Entscheidung der neuen US-Regierung, sondern des Betreibers TransCanada. Ungeachtet der Versprechungen im Wahlkampf und der Warnungen der Vereinten Nationen, welche angesichts der Auswirkungen des Klimawandels im August des Jahres den „Code Red“ verkündeten, konnte sich die Biden-Regierung nicht zu einer grundlegenden Abkehr von der fossilen Energie durchringen. Doch immerhin erklärte Biden, „America is back“, und kehrte zum Bekenntnis zum Pariser Klima-Abkommen zurück. Doch Bekenntnisse sind den Indigenen zu wenig, die bei der UN-Klimakonferenz COP26 im Oktober 2021 in Glasgow ihre Rechte einforderten, aber kaum Gehör fanden. Ihre Teilnahme wurde von der britischen Regierung behindert, und ein Treffen mit Innenministerin Haaland konnte keinen Durchbruch erzielen.

Dennoch forderten die Indigenen geeint und lautstark im schottischen Glasgow ihre Rechte ein — wie auch in Kanada und den USA selbst, u.a. mit der Besetzung des BIA in Washington oder den Widerstandsaktionen gegen Pipelines, u.a. in British Columbia gegen die Trans Mountain XL und den Aktionen der Wet’suwet’en gegen die Coastal GasLink oder dem Protest gegen die Pipeline Line 3 in Minnesota. Obwohl Biden das Ende der Keystone XL Pipeline begrüßte, konnte sich der US-Präsident nicht dazu durchringen, sich für eine Aufgabe der Dakota Access Pipeline oder der Line 3 auszusprechen.

Auch Kanada kann die Erwartungen der Indigenen nicht erfüllen. Justin Trudeau und die Liberalen konnten zwar im Oktober die Wahlen erneut für sich entscheiden, doch außer Postenschieberei im Kabinett und der Wiederholung der Lippenbekenntnisse bleibt die Regierung weit hinter den Verpflichtungen gegenüber den Indigenen zurück.

So wurden die Indigenen einmal mehr mit der Doppelzüngigkeit der Regierungspolitik konfrontiert. Als im Sommer zahlreiche Gräber auf den Gebieten der ehemaligen Residential Schools, die 150.000 indigene Kinder zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis 1996 durchlaufen mussten, entdeckt wurden, vergoss Kanadas Premierminister Justin Trudeau ein paar werbewirksame Tränen, doch zu einem wirklichen Eingeständnis der historischen Verantwortung konnten sich weder die kanadische Regierung noch der Vatikan durchringen, obwohl die katholische Kirche eine Mehrzahl der Internatsschulen verwaltete. Seit Jahrzehnten verwiesen Indigene — wie auch wir — auf die Tatsachen und Auswirkungen dieses Völkermords, doch lange wurde dieses Kapitel der kanadischen Geschichte ignoriert. Immerhin haben die Meldungen dazu geführt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in Kanada inzwischen das Trauma der Indigenen anerkennt. Doch mit den jüngst angekündigten Entschädigungszahlungen wird sich die kanadische Regierung nicht aus ihrer Verantwortung stehlen können. Immerhin hat durch die Enthüllungen in Kanada nun auch eine Aufarbeitung der Boarding Schools in den USA begonnen.

Aber trotz aller Kritik an den Verfehlungen gibt es auch Anlass zur Hoffnung, denn die Indigenen lassen sich nicht mundtot machen, sie fordern ihre Rechte und schließen immer wieder neue Bündnisse — auch auf internationaler Ebene. Und die vielfältigen Energieprojekte wie Solar- oder Windkraftanlagen indigener Initiativen bezeugen den Willen, die Entwicklung in die eigene Hand zu nehmen.

Unsere Aufgabe bleibt es, die Indigenen in all ihren Bestrebungen zur Verwirklichung ihrer Selbstbestimmung weiterhin tatkräftig zu unterstützen.

Wir danken allen, die unsere Arbeit ideell und finanziell unterstützt haben — und weiterhin unterstützen.

Wir wünschen allen ein gesundes, inspirierendes und gutes neues Jahr.

Herzliche Grüße

Monika Seiller
Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.
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