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Tony Hillerman - Ein Nachruf

Image Tony Hillerman (1925 – 2008): Ein besonderer Freund der Dineh
von Dionys Zink

Lange bevor es den Kässpatzen vertilgenden Kommissar Kluftinger aus dem Allgäu gab, waren Regionalkrimis schon in Amerika verbreitet. Auch wenn Tony Hillerman nicht der erste Autor war, der einem indianischen Detektiv eine zentrale Rolle in Kriminalgeschichten zuschrieb, eine Sonderstellung nahmen die Geschichten um die Navajo-Polizisten Jim Chee und Joe Leaphorn in der Indianer- und in der Thrillerliteratur doch ein. Neben den spannenden Plots und vielen „Deja Vu“- Erlebnissen, diese selbst für deutsche Touristen im Südwesten der USA, bieten Hillermans Romane einen kulturellen und politischen Mehrwert. Auch wenn es nicht Hillermans Art war, direkt zu den zahlreichen Konflikten um die Navajo Nation, vor allem in den siebziger und achtziger Jahren, Stellung zu beziehen, konnte man doch immer herauslesen, dass das Herz dieses Autors für die traditionell lebenden Dineh schlug, also für die Opfer von Uranbergbau, Kohleförderung und Landraub.

Der erste Roman „Blessing Way“ (deutscher Titel: „Wolf ohne Fährte“) erschien bereits 1970, dem 17 weitere folgten, in denen sich die Geschichten mit Lieutenant Joe Leaphorn und Sergeant Jim Chee zunehmend zu einem zusammenhängenden Teppich auswuchsen, sogar schließlich einen Kontext bildeten, in dem sich die beiden Hauptfiguren zu vielschichtigen Charakteren mit individueller Biographie entwickeln konnten.

Joe Leaphorn stellt den erfahrenen und meist etwas zynisch wirkenden Ermittler dar, der obwohl er ganz das Leben eines weißen Amerikaners zu führen scheint, immer wieder seine Navajo-Weltsicht einsetzt, um die Störung der harmonischen Ordnung zu beheben, die ein Verbrechen in seinen Augen vornehmlich darstellt. Sein Kollege Jim Chee, der erstmals im fünften Roman „People of Darkness“ (deutscher Titel: „Der Tod der Maulwürfe“) auftaucht, ist dagegen den traditionellen Vorstellungen der Dineh tief verbunden. Der treue Leser wird über mehrere Romane hinweg zum Beobachter seiner langwierigen Entscheidung, in die Fußstapfen seines Onkels zu treten und ein traditioneller Sänger zu werden. Während Leaphorn vor allem in den ersten Romanen eher statisch wirkt, repräsentiert die Figur Chee einen „aktuellen“ Indianer, der versuchen muss, sein eigenes Leben mit traditioneller Überlieferung und postmoderner Gegenwart in Einklang zu bringen.

Neben den Charakteren spielt die Landschaft des amerikanischen Südwestens eine Hauptrolle in nahezu allen Hillerman-Romanen. „Wenn ich schreibe, ist für mich die Erinnerung an eine Landschaft von entscheidender Bedeutung. Ich habe wie ein Filmregisseur die Angewohnheit, nach Handlungsschauplätzen zu suchen.“, sagte er einmal über seine Arbeit. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Land der Navajo, Pueblo- und Hopi-Indianer brachte neben den Romanen auch eine Reihe von Bildbänden hervor, die sich mit Geschichte und Gegenwart, Umwelt und Kultur des Südwestens befassen.

Hillerman wurde am 27. Mai 1925 in Sacred Heart im US-Bundesstaat Oklahoma geboren. Seine Geburtsheimat gehörte damals den Potawatomie-Indianern, die im 19. Jahrhundert in das damalige Indianerterritorium umgesiedelt worden waren. Als Kind besuchte er katholische Schulen und Internate, die vor allem für die Potawatomie betrieben wurde. Als Soldat gelangte Hillerman nach Europa und gehörte zu den Invasionstruppen, die Frankreich befreiten. Eine Tretmine wurde ihm 1945 zum Verhängnis. Sein rechtes Bein wurde zertrümmert und er verlor einen Teil seiner Sehkraft auf dem linken Auge. Nach dem Krieg und der Heirat mit Marie Unzner wurde er Polizeiberichterstatter in Texas und Oklahoma. Als Büroleiter für United Press International und Redakteur für die Zeitung „Santa Fe New Mexican“ gelangte er in den Südwesten, den Schauplatz nahezu aller seiner späteren Romane. Mitte der sechziger Jahre gab er den Journalismus auf, zog mit der Familie nach Albuquerque (New Mexico), studierte noch einmal und begann mit dem Schreiben.

Seine Romane wurden mit vielen Preisen bedacht, für „Dance Hall of the Dead“ (deutscher Titel: „Schüsse aus der Steinzeit“) erhielt er zum Beispiel 1974 den Edgar Allan Poe Award. Die größte Anerkennung wurde ihm nach seiner eigenen Einschätzung mit der Auszeichnung als „Special Friend of the Dineh“ zuteil, eine Ehrung, welche ihm die Navajo Nation 1987 für seine aufrichtige und genaue Darstellung der Navajos und ihrer Kultur zuerkannte. Die Indianerkrimis wurden in insgesamt 17 Sprachen übersetzt und teilweise auch im Ausland ausgezeichnet. Insgesamt vier Hillerman-Titel wurden für Kino und Fernsehen verfilmt.

Ein „neuer Hillerman“ garantierte immer ein mehrstündiges Lesevergnügen und verkürzte so manchen Flug und manche S-Bahnfahrt, davon zeugen auch die vielen Rezensionen, die zu seinen Büchern im Coyote erschienen. Bis zuletzt war Tony Hillerman trotz sich verschlechterndem Gesundheitszustand noch produktiv. 2006 erschien sein letzter Roman „The Shape Shifter“. Tony Hillerman starb am 26. Oktober 2008 im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in Albuquerque an Lungenversagen.

Erstellt von dionys. Letzte Änderung: Freitag, 17. Januar 2020 10:30:33 CET von oliver. (Version 2)

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