“Avatar”-Kritik Teil I
von Stephan Rudolph
(veröffentlicht 1/2010)
Wir schreiben das Jahr 2154, die Menschen stoßen auf der Suche nach neuen Ressourcen auf den Planet Pandora. Dort entdecken sie den wertvollen Rohstoff „Unobtanium“. Doch leider ist es wie so oft, wenn die vermeintlich zivilisierte Menschheit nach Ressourcen giert, dass es in der neuen Welt Ureinwohner gibt, die eine andere Beziehung zu ihrer Umgebung haben und somit der Ausbeutung im Weg stehen.
Auf Pandora leben die Na’vi, ein Volk, das ca.30 Prozent größer gewachsen ist als die „Himmelswesen“ und eine blaue Hautfarbe hat. Da die Menschen auf Grund der giftigen Atmosphäre nur mit Atemmasken überleben können, haben sie die „Avatare“ entwickelt, Körper der Na’vi, in die sie schlüpfen können, um als „Ureinwohner“ Pandora zu erforschen.
James Camerons 160 Minuten Epos erinnert in vielen Momenten an „Der mit Wolf tanzt“ oder „The New World“ mit einem Unterschied: Stand früher am Ende der Geschichte immer die Vernichtung der indigen Kultur, nimmt die Geschichte diesmal eine andere Wendung, denn Avatar spielt in der Zukunft. Die Natur und die Ureinwohner schlagen zurück und retten ihren Lebensraum und ihre Kultur.
Zwar hat der ehemalige Marine Jake Sully den Kampf der Na’vi angeführt, aber zuvor ist er sowohl körperlich als auch kulturell und durch die Liebe zu der Tochter des Clanführers, Neytiri, einer von ihnen geworden. In den traditionellen Western wurden die Weißen auch manchmal ein Teil der Gemeinschaft der Ureinwohner, eine Metamorphose, wie im Science-Fiction, hat jedoch nie stattgefunden. Wenn auch einige wohl bekannte Klischees in dem Film verwendet wurden, ist dies doch ein neuer Ansatz.
Man kann darüber streiten, ob die Verbundenheit der Na’vis zur Natur oder die gemeinschaftliche Energieübertragung nahe am Esoterik-Kitsch vorbei schrammen, aber alles in allem ist die Geschichte aus einem Guss und das was man früher als „großes Kino“ bezeichnet hat. Die 3D-Darstellung ist sehr gut gelungen, man wird als Zuschauer Teil der Geschichte, die Effekte sind perfekt gemacht und die Natur auf Pandora, mit dem im Mittelpunkt stehenden wunderschönen „Baum des Lebens“, ist grandios dargestellt.
Auch auf der Schauspielerseite hat Cameron eine gute Wahl getroffen, Sam Worthington als Sully, Zoe Saldana als Neytiri, Sigourney Weaver als die Wissenschaftlerin Dr. Augustine, Steven Lang als Bösewicht und Colonel Quaritch und der indianische Schauspieler Wes Studi in der Rolle des Clanführers Eytucan sind brillante Besetzungen. Camerons 250 Millionen Dollar Epos ist der erfolgreichste Film aller Zeiten, für die Cinematographie, beste visuelle Effekte und den besten künstlerischen Direktor gab es drei Oskars und sehr viel Aufmerksamkeit für ein altes Thema, das heute noch so aktuell ist, wie vor vielen Jahren: Alte Welt trifft neue Welt und meint sie vereinnahmen zu müssen.
Umrahmt von einem Ökosystem mit einer wunderschönen Flora und Fauna, einer eindringlich dargestellten Spiritualität des indigen Volkes, einer Ignoranz der Zivilisation gegenüber allen anderen Lebensformen und einem etwas lang gezogen Showdown zwischen diesen beiden Welten ist dieser Film sowohl technisch als auch inhaltlich ein tolles Kinoerlebnis.
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